Aus der Demokratiewerkstatt: Frauen im Parlament

Demokratiewerkstatt
Bericht von meinem letztwöchigen Besuch in der Demokratiewerkstatt aka Therapiestunde. Eine 1. Klasse Neue Mittelschule aus Wien. Fünf zappelige Kinder – drei Buben, zwei Mädchen – stellen mir Fragen zum Parlament und zur Politik, wichtige Fragen.

Bub: Können eigentlich auch Männer Abgeordnete im Parlament werden?

Ich: Ja, natürlich. Aber das ist eine interessante Frage. Was glaubt ihr denn wie viele Frauen und Männer da im Parlament so sind?

Zwei Buben: Sicher viel mehr Frauen!

Ich: Aha, warum glaubt ihr denn das?

Zwei Buben (nach einem kurzen Blick in die Runde): Naja, Frauen sind ja viel gscheiter! (Heftige Zustimmung der restlichen drei).

Ich (zugegebenermaßen, ein bissl überrascht): Naja, tatsächlich ist es so dass im Parlament nur 30% Frauen sind, der Rest sind Männer.

(Verwirrte Blicke der Kinder untereinander): Häääää? Wieso??

Ich: Was glaubt ihr denn warum das so sein könnte?

(Kinder ratlos)

Ich: Naja, es gibt halt immer noch viele Vorurteile dass Frauen das mit der Politik nicht so gut können. So wie es auch Vorurteile gibt dass Mädchen schlechter in Mathematik wären.

Mädchen (springt empört auf, stemmt die Hände in die Hüften): Waaas? Wieso sollten Mädchen schlechter sein in Mathematik?
(Verwirrung und Unverständnis bei den restlichen vieren, viel Kopfgeschüttel)

Bub (lacht): So ein Blödsinn. Alle Menschen sind gleich!

Ihr SPÖ-Frauen, schämt euch!

Dass die ÖVP-Frauen beständig gegen Fraueninteressen arbeiten, ist nichts Neues. Die Verleugnung der SPÖ-Frauen erreicht aber mit der Zustimmung zu dieser „Steuerreform“ einen neuen Höhepunkt.

Die Steuerreform, die die Regierung vor mittlerweile zwei Wochen vorgestellt hat, verdient diesen Namen nicht. Denn reformiert wird nicht das Steuersystem, sondern nur der Einkommenssteuertarif. Die Gegenfinanzierung basiert zu größten Teilen auf der Hoffnung, dass die Steuerbetrugsbekämpfung tatsächlich sehr große Beträge in die Kassen spült. Die beiden zentralen grünen Anforderungen – Umverteilung und Ökologisierung – werden damit natürlich nicht einmal gestreift.

Von der rot-schwarzen Tarifreform profitieren vor allem die mittleren und oberen Einkommen. Aufgrund der Einkommensverteilung zwischen Männern und Frauen bedeutet das logischerweise auch, dass Männer stärker profitieren, als Frauen. Das mittlere Einkommen (Median) der Frauen liegt bei 1.400 € brutto pro Monat, jenes der Männer bei 2.300 €. Frauen verdienen wesentlich weniger als Männer – die Gründe dafür sind vielfältig: typische Frauenberufe sind schlechter bezahlt, 50 % aller Frauen arbeiten (oft unfreiwillig) in Teilzeit, Diskriminierung ist immer noch an der Tagesordnung. Das Resultat: 2/3 der Tarifreform kommen den Männern zugute, nur 1/3 den Frauen, die eine Entlastung in vielen Fällen wesentlich dringender brauchen würden.

Diese „Steuerreform“, bei der keine Umverteilung über Vermögens(bezogene) Steuern nach unten, sondern vielmehr eine weitere Verschärfung der Schere zwischen Schlecht- und Besserverdiener_innen erfolgt, verteidigte die Frauensprecherin der SPÖ, Gisela Wurm, gestern mit Verve im Plenum. Die Frauen würden so toll profitieren, und vom eingesparten Geld könnten sie sich beispielsweise eine Waschmaschine oder einen Friseurbesuch leisten.

Die Beispiele, die der ÖGB auf seiner Homepage verwendet, um den großen Erfolg für die Frauen zu feiern, beziehen sich ausschließlich auf Frauen, die mehr als das Median-Einkommen beziehen. Auch die ÖGB-Frauen wissen, dass sie hier eindeutig gegen die Interessen ihrer Klientel jubeln – aber die Partei hat schließlich immer Recht.

Frauen, die stärker von Armut betroffen sind, die den allergrößten Teil an unbezahlter Arbeit leisten, sollen jetzt also froh sein dass sie ein Drittel der Entlastung kriegen. Ziemlich armselig für eine Partei, die auf große, kämpferische, kompromisslose Feministinnen zurückschauen kann. Ihr SPÖ-Frauen, die ihr diese Reform auch noch im Namen der Frauen verteidigt, schämt euch. Es gilt einmal mehr – wer hat euch verraten…

PS: Das grüne Steuermodell sieht übrigens vor, dass 90% der Bevölkerung profitieren, 10% zahlen. In unserem Modell gilt Halbe-Halbe – die Hälfte des Entlastungsvolumens kommt den Frauen zugute. Wers genauer wissen will, klicke hier.

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PPS: Sonja Ablinger, du fehlst! 🙂

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Niemals vergessen

Diese Rede habe ich anlässlich der Gedenkveranstaltung zu den Novemberpogromen am 9. November 2014 am Platz der Opfer der Deportation am ehemaligen Bahnhof Aspang gehalten. Die ausgezeichnete Rede von Doron Rabinovici findet sich auf seiner Facebook-Seite.

Vor ein paar Wochen hat mein Kollege Albert Steinhauser mich gebeten statt ihm heute diese Rede zu halten. Ich habe sehr gerne zugesagt. Gleichzeitig habe ich sehr großen Respekt davor, hier zu sprechen. Die Unsicherheit ist groß. Was könnte ich denn sagen, im Gedenken an die Novemberpogrome? Zu den historischen Details der Pogrome, zu diesem Platz hier, zu den Deportationen, können andere wesentlich besser sprechen als ich. Also habe ich beschlossen, eine  Perspektive meiner Generation einzubringen.

Ich bin 29 Jahre alt und gehöre zu einer Generation, die der Konfrontation mit dem Nationalsozialismus, mit der österreichischen Geschichte, leichter entgehen kann, als alle Generationen davor. Die Konfrontation erfolgt nicht mehr zwangsläufig über familiäre Auseinandersetzungen. (Sofern sie in älteren Generationen tatsächlich stattgefunden haben und nicht totgeschwiegen wurden – sie wären jedenfalls leichter möglich gewesen). Die Zahl der Überlebenden, der Zeitzeug_innen, die vermitteln können und wollen, was geschehen ist, was ihnen geschehen ist, was sie selbst getan oder unterlassen haben, diese Zahl ist 70 Jahre nach der Befreiung bereits sehr klein geworden.

Zwei Jahre des Geschichtsunterrichts in meiner höheren Schule, einer HBLA für wirtschaftliche Berufe, waren der Hexenverbrennung gewidmet. Wir hätten zwar lernen sollen, wie viele Frauen der Bischof von Brixen in Südtirol foltern und verbrennen hat lassen. Von den Pogromen, vom systematischen, industrialisierten Massenmord der Nazis, der NS-Ideologie, haben wir in der Oberstufe aber nichts gelernt. Der einzige zeitgeschichtliche Unterricht, den ich gehabt habe, war im letzten Semester in der Hauptschule. In dieses Semester ist alles hineingepresst worden, was im 20. Jahrhundert passiert ist. Da ist dann auch auch die NS-Zeit vorgekommen. Inklusive einem unvermittelten Abstecher in das ehemalige Konzentrationslager Mauthausen auf dem Weg zur Wienwoche. Sie können sich vorstellen, wie unzureichend das war. Erst an der Uni habe ich begonnen, mich ernsthaft mit dem Nationalsozialismus zu beschäftigen.

Das klingt möglicherweise nach einer besonders unglücklichen Konstellation von schlechten Lehrer_innen und schlechten Lehrbüchern, mir wird versichert, in den Gymnasien wäre das besser, in der Stadt wärs besser als am Land, in Wien besser als in Tirol. Meine Erfahrungen mit gleichaltrigen und auch jüngeren Mitstudent_innen an der Uni legen allerdings nahe, dass es sich da nicht um das Schicksal einzelner Klassen handelt. Um das Wissen zum Nationalsozialismus ist es schlecht bestellt. Und sogar wenn das Wissen vorhanden ist, fehlt oft noch immer die Fähigkeit zur Einordnung, das Bewusstsein über die Ausmaße und Folgen des Terrors. Und vor allem dafür, welche Zäsur diese Barbarei für die Entwicklung einer Gesellschaft freier Menschen, für die Menschheit, für die Menschlichkeit bedeutet.

Mit der Feststellung, dass das ja alles schon lange vorbei ist wird auch oft in Frage gestellt, warum man sich denn immer noch so viel damit auseinandersetzen muss. Mit der unzureichenden Beschäftigung geht die schleichende Normalisierung rechter Positionen einher, und sie ist in Wahrheit schon weit fortgeschritten. Die Identitären, die Burschenschafter, die hetzenden Funktionär_innen der FPÖ sind laut und polternd, die Verschärfung autoritärer Einstellungen in der Bevölkerung vollzieht sich aber leise.

Ich möchte damit nicht sagen, dass die Beschäftigung mit dem Faschismus in älteren Generationen ausgeprägter, nachhaltiger oder erfolgreicher war. Aber ich möchte verdeutlichen, dass wir alles daran setzen müssen, die pädagogische Vermittlung in den Schulen, aber auch außerhalb zu intensivieren und zu verbessern.

Es soll nicht möglich sein, dass künftige Generationen der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus entgehen können – und zwar unabhängig davon, welchen Bildungsweg sie einschlagen, ob sie im Laufe ihres Lebens eine Lehre absolvieren, oder ob sie an die Uni gehen.

Rechten und rechtsextremen Gruppierungen und Parteien entschlossen entgegenzutreten, ist im Kampf gegen den Faschismus unerlässlich. Es ist aber mindestens gleich wichtig dafür zu sorgen, dass die kommenden Generationen die Relevanz dieses Kampfes erkennen und ihn auch weiterführen können. Denn wenn der Faschismus nicht mehr erkannt wird, lässt er sich auch nicht mehr bekämpfen.

Das klingt jetzt möglicherweise pessimistisch, das ist es aber nicht. Zur Erinnerungsarbeit gehören gute Lehrpläne, gute Lehrer_innen, gute Bücher, aber auch Gedenkveranstaltungen wie die heutige – ich freue mich sehr dass sie so gut besucht ist. Und auch Denkmäler im öffentlichen Raum. Und da gelingt immer mehr. Dass vor zwei Wochen die Eröffnung des Deserteursdenkmals am Ballhausplatz stattgefunden hat, nach vielen vielen Jahren Kampf, ist ein wunderschöner Erfolg. Ich wünsche mir, dass es uns mit demselben Einsatz und Nachdruck auch hier gelingt – und das ist auch eine Aufgabe für uns Grüne in Wien – das Denkmalprojekt an diesem Platz voranzutreiben und bald zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen.

In eigener Sache: Mitarbeiter_in gesucht!

Unsere bisherige Referentin für Wissenschaft hat ein Pflegekind bekommen. Das Gute daran: sie und ich und überhaupt auch alle anderen freuen sich irrsinnig darüber. Das nicht so Gute daran: ich hab jetzt plötzlich keine inhaltliche Mitarbeiterin mehr. Pflegekindkarenzen können nämlich im Gegensatz zu anderen Baby-Karenzen, die sich meist etwa neun Monate lang ankündigen, nicht im Voraus geplant werden. Dementsprechend schreibt der Grüne Klub im Parlament eine Karenzvertretung für jedenfalls 6 Monate (kann auch länger werden) aus, zum baldestmöglichen Eintritt:

ReferentIn für Wissenschaft

Karenzvertretung 20-25 Wochenstunden

Aufgabenbereiche:

  • Fachliche Betreuung des Wissenschaftsausschusses
  • Bearbeitung und Aufbereitung von hochschul- und wissenschaftspolitischen Themen
  • Verfassen von Fact Sheets, Stellungnahmen, Briefings- und Presseunterlagen
  • Entwicklung politischer Positionierung und (Medien-)Strategie
  • Betreuung spezifischer Zielgruppen und Medien, Organisation von Veranstaltungen

Anforderungen

  • Kenntnis der Hochschul- und Wissenschaftslandschaft in Österreich
  • Organisationstalent, teamfähig, belastbar, selbstständiges Arbeiten
  • Abgeschlossenes Studium

Die Entlohnung beträgt abhängig von Stundenumfang sowie Einstufung lt. geltender Betriebsvereinbarung mind. € 1.709 Brutto/Monat bei 20 Stunden.

Wir freuen uns auf Ihre schriftliche Bewerbung bis 1. September 2014 an:

Personalreferat, Grüner Klub im Parlament,
Dr. Karl Renner Ring 3, 1017 WIEN
oder per E-Mail: bewerbung.parlament@gruene.at

Militärische Forschung an Österreichs Unis?

Wir müssen dringend über den Umgang mit Drittmitteln diskutieren

Wie die Wiener Zeitung diese Woche berichtete, finanziert das US-Militär Forschungsprojekte an vielen österreichischen Hochschulen und an der Akademie der Wissenschaften. Dass in einem neutralen Land wie Österreich militärische Forschung an öffentlichen Einrichtungen betrieben wird, ist erstaunlich. In Deutschland, das immerhin NATO-Mitglied ist, wurden als Ergebnis derselben Diskussion Zivilklauseln und Transparenzgesetze eingeführt.

Wir müssen die Pentagon-Geschichte zum Anlass nehmen, den Umgang mit Drittmitteln an österreichischen Hochschulen und Forschungseinrichtungen breit zu diskutieren. Die Forderung von konservativen und neoliberalen Politiker_innen, allen voran Wirtschaftsminister Mitterlehner, der ja nun auch für die Wissenschaft zuständig ist, trägt Früchte: der Anteil der Drittmittelfinanzierung an den Unis ist in den letzen Jahren kontinuierlich gestiegen. Was mit den privaten Mitteln an den Hochschulen jedoch nicht entsprechend mitgewachsen ist, sind die Kontrollmechanismen und die Transparenz.

Die Finanzierungsbeteilung des Pentagon zeigt den Interessenskonflikt besonders drastisch auf. Aber in Österreich selbst gab und gibt es nicht wenige Forschungsprojekte, die zweifelhaften Interessen dienen und öffentlich finanziert sind. Die FH Technikum Wien zB beteiligt sich an INDECT, einem Forschungsprojekt zur Entwicklung von Überwachungsmaßnahmen. Und an dieser Stelle sei auch an die vom Verteidigungsministerium gestiftete Professur für Europäische Sicherheitspolitik an der Uni Innsbruck erinnert: der berufene Professor Siedschlag sprach sich für den Kauf von Euro-Fightern aus, was zu Entrüstungsstürmen und Distanzierungen des gesamten Instituts für Politikwissenschaft führte. Später wurde bekannt, dass EADS eine Konferenz mitgesponsert hatte.

Ethik in der Wissenschaft, wie umgehen mit Dual Use? Wo sind die Grenzen bei der Drittmittelvergabe? Wollen wir wirklich dass Stiftungen künftig Forschungsbereiche vorgeben können? Bereitet das Studium gut genug auf die ethische Verantwortung als Forscher_in vor?

Die Hochschulen sind autonom, die Wissenschaftler_innen in ihrer Arbeit frei – den gesetzlichen Rahmen gestaltet dennoch das Parlament, und dorthin muss auch die Debatte. Ich werde in den nächsten Wochen mit einer parlamentarischen Anfrage starten (die kann man auch in der Sommerpause einbringen). Wer Vorschläge und Anregungen hat was da alles rein soll – immer her damit.

Zu den falschen Behauptungen der Polizei

Ich bin davon ausgegangen, dass die Polizei eine Stellungnahme auf Nachfrage der Presse über die von mir geschilderten Ereignisse abgeben wird. Was die Polizei aber nun behauptet ist schlichtweg falsch und absurd: Ich habe weder den Marsch blockiert, noch mich gegen einen Beamten gelehnt. Ich wurde bis zu meiner Anhaltung am Minoritenplatz nie aufgefordert mich auszuweisen, und hab mich folglich auch nie geweigert das zu tun. Ich nannte im Gegenteil selbst meinen Namen und Funktion. Dass ich versucht hätte zu flüchten, ist völlig absurd – ich suchte bewusst den Kontakt zur Polizei und wollte die Polizeigruppe inklusive der mitgeführten Person weiter begleiten.

Aber der Reihe nach: sowohl auf derstandard.at als auch in einer APA-Meldung erschienen Stellungnahmen der Polizei. Die APA schreibt:

Die Beamten hätten bereits während des Zusammentreffens des “Marsches für die Familie” mit der Gegendemonstration Maurer – die sie jedoch nicht als Nationalratsabgeordnete erkannten – unter den Protestierenden gesehen. “Sie hat sich gegen Beamte gelehnt und den Marsch blockiert, also eine Störaktion gesetzt”, so eine Sprecherin der Polizei gegenüber der APA. Dann sei sie in der Menge verschwunden.

Es entspricht der Wahrheit, dass ich unter den Demonstrant_innen war. Aber schon bevor sich der „Marsch der Familie“ in Bewegung setzte und die Polizei begann, die Personen vom Platz abzudrängen, befand ich mich – wie gestern beschrieben – am Rand der Demo, und zwar auf der vom Stephansdom aus gesehen linken Seite des Grabens.

Zu keinem Zeitpunkt “lehnte” mich gegen einen Beamten oder blockierte die Polizei sonst in irgendeiner Weise. Das können mehrere Personen bezeugen. Bereits wenige Minuten nachdem der Marsch begonnen hatte, war ich am Eingang der Dorotheergasse angelangt, wo ich für etwa 15 Minuten stehen blieb um (wie beschrieben), eine Anhaltung eines Demonstranten zu beobachten. Ich tauchte also auch nicht in einer Menge unter, sondern stand die gesamte Zeit vier Beamt_innen gegenüber, die sich nicht um mich kümmerten. Es gab auch Wortwechsel zwischen mir und den Beamt_innen: ein Bekannter und ich setzten uns dafür ein, dass eine alte Frau die Dorotheergasse passieren dürfe, um nicht einen großen, für sie anstrengenden Umweg gehen zu müssen.

Die Polizei behauptet weiter:

Am Minoritenplatz hätten die Beamten Maurer, die sich im Zuge anderer Identitätsfeststellungen nach der Rechtmäßigkeit der Amtshandlungen erkundigte, dann als Störerin von zuvor erkannt und sie zur Identitätsfeststellung aufgefordert. “Zu diesem Zeitpunkt hat sie versucht, sich zu entfernen”, erklärte die Sprecherin. Der Polizeibeamte habe versucht, sie an der Flucht zu hindern und daher ihren Arm ergriffen, während sich Maurer von ihm weggedreht habe. Erst bei der erneuten Identitätsprüfung habe sie sich als Nationalratsabgeordnete zu erkennen gegeben und einen Studentenausweis hergezeigt. Ein Mitarbeiter der Verfassungsschutzes habe ihre Identität dann bestätigt, sie sei freigesetzt worden.

Wie gestern beschrieben ging ich der Gruppe von Polizist_innen nach (sie bewegte sich am Minoritenplatz zwischen Landhausgasse und Leopold-Figl-Gasse). Ich nannte meinen Namen und meine Funktion bevor ich fragte, was der abgeführten Person vorgeworfen würde. Ich wurde nicht – wie behauptet – zur Identitätsfeststellung aufgefordert. Ich versuchte weder mich zu entfernen, noch habe ich mich weggedreht. Im Gegenteil, ich hatte ja bewusst den Kontakt gesucht und wollte die Polizeigruppe weiter begleiten.

Zu keinem Zeitpunkt wurde ich aufgefordert, mich auszuweisen – weder bei der Demo am Stephansplatz, noch bei meinem Eintreffen am Minoritenplatz, noch bevor der Beamte mir den Arm auf den Rücken drehte. Vielmehr habe ich selbst meine Identität und Funktion genannt. Erst beim Polizeiwagen wurde ich um einen Ausweis gebeten, den ich selbstverständlich sofort vorzeigte. Ich hatte meinen Parlamentsausweis nicht dabei (der befand sich in meinem Arbeitsrucksack), sondern einen anderen regulären Lichtbildausweis, meinen Studentinnenausweis. Auf Twitter sind Fragen aufgetaucht, warum ich mich nicht früher ausgewiesen hätte: dazu gab es keinen Grund – ich wurde nie dazu aufgefordert, habe kommunziert wer ich bin, und hatte dann am Minoritenplatz (mit auf den Rücken gedrehtem Arm) auch gar keine Möglichkeit mehr dazu.

Im Übrigen war zumindest einem Beamten am Minoritenplatz meine Identität sehr wohl bekannt: meine Freundin sprach während meiner Anhaltung mit einem Beamten, der weiter hinten am Platz stand und fragte nach, was denn nun geschehe. Er antwortete, dass “die Frau Nationalratsabgeordnete” nun einer Identitätsfeststellung unterzogen würde. Auf die Frage, warum das nötig sei, wenn eh bekannt wäre, wer ich bin, antwortete der Beamte, dass sein Kollege das möglicherweise nicht wisse.

Und noch mal die Polizei:

Laut Polizei liegt keine strafrechtliche Anzeige vor, da Maurers Immunität als Nationalratsabgeordnete greift. Maurer kündigte hingegen die parlamentarische Bearbeitung der Vorgänge durch den grünen Justizsprecher Albert Steinhauser an.

Gestern nachmittag, kurz nach 14 Uhr, erhielt ich noch von einem Beamten der Dienststelle Schmerlingsplatz telefonisch die Auskunft, dass eine Anzeige wegen Störung einer Versammlung vorliegt. Aufgrund meiner Immunität wäre aber der Verfassungsschutz damit betraut und ich müsse mich dort um weitere Informationen bemühen. Das habe ich versucht, bisher ist es nicht gelungen weitere Informationen zu erhalten. (Meine Nachfrage nach der Dienstnummer des Beamten, der mich mitgenommen hatte, verlief übrigens ergebnislos: die Listen mit den Dienstnummern wären etwas chaotisch, es wäre nur der Name sichtbar und der darf nicht herausgegeben werden.)

Ganz grundsätzlich obliegt es nicht der Polizei, zu beurteilen, ob meine Immunität als Abgeordnete greift oder nicht – das entscheidet der Immunitätsausschuss im Parlament. Wenn die Polizei von einer Straftat meinerseits (inklusive Fluchtversuch!) ausgeht, was sie ja medial zu verdeutlichen versucht, muss sie die Sache an die Staatsanwaltschaft weitergeben. Wenn diese weiter ermitteln will,  muss sie sich mit einem Auslieferungsbegehren an die Oberstaatsanwaltschaft und den Justizminister wenden. Wenn der Immunitätsausschuss der Auslieferung zustimmt – was er bei den Vorwürfen der Polizei (auch wenn sie falsch sind) sehr wahrscheinlich tun würde – könnten weitere Ermittlungsschritte gesetzt bzw. in weiterer Folge ein Prozess begonnen werden.

Die Polizei sagt nun also, es liegt keine Anzeige vor. Das wundert mich: entweder, ich wurde (aus Sicht der Polizei) strafffällig – dann bin ich zu verfolgen. Oder aber ich wurde es nicht, und die Schilderung der Ereignisse durch die Polizei entspricht nicht der Wahrheit. Wenn es richtig ist dass ich nicht angezeigt werde, ist das für mich ein Schuldeingeständnis.

Wie bereits gestern angekündigt, wird es eine parlamentarische Bearbeitung der Vorfälle durch meinen Kollegen Albert Steinhauser, den grünen Justizsprecher geben.

Wie die Polizei mit Demonstrant_innen und Nationalratsabgeordneten umgeht

Ich war am Samstag mit Freund_innen auf der Regenbogenparade. Die Stimmung war super, das Wetter ok, und der Gestank vom Buttersäureangriff auf den Grünen Truck zumindest dort, wo ich mitgegangen bin, nicht so schlimm. Als wir auf Höhe Karlsplatz waren, beschlossen wir, noch bei der Demo der christlichen Fundamentalist_innen bzw. der entsprechenden Gegendemo am Stephansplatz vorbeizuschauen. Wie auch die letzten Jahre wurde dort mit blutendem Jesus auf dem Kreuz und Demosprüchen á la “Erziehung ist der Eltern Pflicht, verführt uns unsere Kinder nicht” gegen Homosexualität, Abtreibung und “Genderideologie” demonstriert. Die Forderungen der Truppe umfassten zB auch die Abschaffung des Sexualkundeunterrichts.

Die Gegendemo war bunt und witzig, mit bewährter pinker Sambatruppe die auch von den Tourist_innen sehr geschätzt wurde. Es wurde getanzt und gesungen.

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Die Gegendemo war wesentlich größer als die der christlichen Fundamentalist_innen, am Stephansplatz hielten sich (wie jeden Samstag nachmittag) sehr viele Tourist_innen auf. Die Polizei begann mit Schildern die Gegendemonstrant_innen (und Tourist_innen) abzudrängen, um den Weg für den “Marsch für die Familie” frei zu machen. Wir gingen am Rand mit und beobachteten das Geschehen. Es gab auch kurz eine Sitzblockade, die aber sehr schnell wieder aufgelöst war. Als einer der Demonstrant_innen von der Polizei in die Dorotheergasse gebracht wurde, blieben wir dort, um herauszufinden was ihm vorgeworfen wird: Störung einer Versammlung – Strafgesetzbuch § 285. Der Demonstrant durfte nach der Identitätsfeststellung wieder gehen, die Demo war inzwischen schon weg, und wir blieben noch ein paar Minuten in der Sonne sitzen.

Kurz vor 17.00 Uhr brachen wir auf, um noch die Schlusskundgebung der Christen_innen am Minoritenplatz mitzuverfolgen. Als wir dort ankamen waren aber alle Transparente bereits zusammengepackt, die Demo offenkundig beendet. Die Fundamentalist_innen waren gerade damit beschäftigt, ihre Leute für den Abtransport oder das Weiterziehen in ein Lokal abzuzählen. Von der Gegendemo war nichts mehr zu sehen.

Zu dem Zeitpunkt waren wir nur mehr zu zweit und gingen in Richtung Herrengasse, um einen Kaffee trinken zu gehen. Vor dem Bundesministerium für Inneres standen mehrere Polizei-Autos, offenbar wurde das Ende des Einsatzes abgewartet. Außer mir und meiner Freundin waren keine Zivilist_innen auf dem Platz. Bei der Landhausgasse sperrten etwa 10 Polizist_innen den Weg ab, in der Mitte der Straße gab gerade eine Person mit pinker Perücke ein Interview. Auf der anderen Seite der Gasse standen ebenfalls Polizist_innen. Ich fragte nach, warum hier abgesperrt sei, die Antwort war “Das ist halt jetzt so”. Dann wurde die Polizeiabsperrung auf Seite der Herrengasse beendet, Passant_innen wurden von dieser Seite wieder durchgelassen, wir nicht. Eine Polizistin forderte uns auf, weiter zurück zu gehen auf den Minoritenplatz, was wir auch taten. Als das Interview beendet war, wurde die Person mit der pinken Perücke (offenbar Teil der Samba-Gruppe) von mehreren Polizist_innen recht ruppig abgeführt – ohne ersichtlichen Grund.

Ich ging der Polizeigruppe nach und sagte: “Mein Name ist Sigrid Maurer, ich bin Abgeordnete zum Nationalrat und möchte gerne wissen, was der Person vorgeworfen wird”. Die Antwort der Polizist_innen war, dass die Identität festgestellt werden soll. Ich fragte daraufhin, ob es dafür denn notwendig sei, der Person das Handgelenk zu verdrehen. Plötzlich blieb der Polizist vor mir stehen, drehte sich um und sagte “Bis hierher und nicht weiter”. Ich blieb stehen und fragte “Warum, hier ist ja nicht abgesperrt oder sonst irgendwas”. Der Beamte sagte “Gut, dann nehmen wir Sie auch mit”, drehte mir gleichzeitig den rechten Arm auf den Rücken und bugsierte mich in Richtung der Polizeiwägen. Ich stolperte überrascht mit und sagte: “Hey, was soll das jetzt, was passiert jetzt, was wird mir vorgeworfen”. Nach mehreren Nachfragen sagte der Beamte: “Störung einer Versammlung”.

Bei dem Polizeiwagen angekommen musste ich warten bis ich mit der Identitätsfeststellung drankomme, vor mir wurde noch eine andere Person überprüft. Zu diesem Zeitpunkt war es 17.18. Ich zeigte meinen Ausweis her, meine Identität wurde festgestellt, ich fragte nochmals nach, was mir vorgeworfen wird. Der Beamte der die Identitäts-Feststellung durchführte, wiederholte: Störung einer Versammlung, ich würde die Anzeige per Post zugestellt bekommen. Ich antwortete darauf “Das ist jetzt ein Scherz”. Der Beamte: “Sehe ich so aus als würde ich scherzen?”. Auf mein Fragen nach der Dienstnummer des Beamten, der mich mitgenommen hatte erhielt ich nur die Auskunft, ich solle bei 133 anrufen und mit Zeit- und Ortsangabe würde ich die Dienstnummer des Einsatzkommandanten erhalten.

Inzwischen hatten die Beamten herausgefunden, dass ich Nationalratsabgeordnete bin (etwas, das ich ja bereits zuvor mitgeteilt hatte). Da ich als Abgeordnete immun bin, wurde ein Beamter des Verfassungsschutzes hinzugeholt, offenbar um zu bestätigen dass ich wirklich ich bin. Als er kam und mich sah, sagte er sinngemäß: “Passt, ist bekannt. Sie können gehen, die Anzeige erhalten Sie dann per Post”. Ich versuchte nun den Einsatzkommandanten ausfindig zu machen, um noch einmal einen Anlauf in Sachen Dienstnummer zu starten. Der Einsatzkommandant teilte mir daraufhin seine Dienstnummer mit, unter der ich eine schriftliche Anfrage an die Landespolizeidirektion Wien stellen könne. Der betreffende Beamte stand die ganze Zeit über direkt neben mir. Ich gehe davon aus dass er seine Dienstnummer kennt, ich habe sie jedoch nicht erhalten.

Ich ging dann zurück zu meiner Freundin, etwas später konnten wir noch beobachten wie fünf der Samba-Trommler_innen in einen Gefangenentransporter geladen wurden.

Ich fasse also zusammen: mir wird vorgeworfen, an einem Ort, an dem keine Versammlung stattgefunden hat, eine Versammlung gestört zu haben. Weil ich nachgefragt habe – nach vorheriger Offenlegung meiner Identität und Funktion – was einer abgeführten Person vorgeworfen wird.  Auf die Frage, warum ich nicht weitergehen dürfe, wurde ich beamtshandelt. Ich wurde weder aufgefordert mich auszuweisen, noch wurde ich aufgefordert mitzukommen – der Beamte drehte mir ohne Vorwarnung meinen Arm auf den Rücken und brachte mich stolpernd zu den Polizeiwägen.

Dass die Polizei völlig willkürlich Demonstrant_innen herausgreift und nach dem Strafgesetzbuch anzeigt, ist ein Skandal, der leider Schule zu machen scheint. Nach den Anzeigen nach dem Landfriedensbruch-Paragraphen gegen Fußballfans und antifaschistische Demonstrant_innen, versucht die Polizei offenbar nun den nächsten Paragraphen wiederzubeleben, um Demonstrant_innen einzuschüchtern. Ich kann mich als Nationalratsabgeordnete ganz gut gegen die Vorgangsweise der Polizei wehren. Wie geht es aber alle jenen Demonstrant_innen, die nicht dieselben Möglichkeiten haben?

Ich schreibe diesen Blogeintrag um die Geschehnisse vom Samstag möglichst genau und nachvollziehbar zu dokumentieren. Mein Kollege Albert Steinhauser, Justizssprecher der Grünen, wird die Vorfälle auch parlamentarisch bearbeiten. Soviel mal fürs erste, stay tuned.

Notiz zum Frauentag: Ich muss gar nix.

Gernot Bauer, der sich in Sachen feministischer Auseinandersetzung ja schon ein gewisses Profil erarbeitet hat, fragt in diesem Artikel eingangs, ob man mich als „poor little girl“ bezeichnen darf, weil ich in einer Fernsehsendung etwas nicht genauso gesagt hab wie er sich das erwartet hätte. Die message ist klar – er findet ich bin eins. Oje.

Weil ich ja jetzt Abgeordnete bin, wird von mir Demut erwartet. Dass ich in einem Tweet das Wort „Sauhaufen“ verwende, geziemt sich nicht. Mails und Tweets die zum Inhalt haben, wie ich mich als Grüne, als Abgeordnete, als Politikerin, als Junge, als Frau, als jemand der in der Öffentlichkeit steht, zu verhalten habe, gibt es viele. Darunter nicht wenige von (Top)Journalisten (mind the missing _innen). Ich behaupte: gegenüber Älteren, und insbesondere Männern würden sie nicht auf die Idee kommen, Tadelungen und Vorschreibungen so zu äußern. Auch so manche Parteikollegen (auch hier, Frauen verhalten sich ganz anders), wollen mir mit vermeintlich gutem Rat zur Seite stehen – ernst gemeintes Feedback ist das allerdings selten. Offensichtlich ist es schwer zu ertragen, dass eine 28-jährige Frau eigene Vorstellungen von ihrem Job hat.

Beliebtes Thema derzeit: die Jungen im Parlament und die Frage nach ihrer Angepasstheit. Ich kann die Sehnsucht nach Politiker_innen, die unkonventionell sind, sehr gut verstehen. Aber die Indikatoren die zur Beurteilung herangezogen werden, halte ich für die falschen. Julian Schmids Kapuzenpulli – seriously? Dass ich auf Twitter bin und auch mal gehörig schimpfe? Bei wievielen Abstimmungen wir schon dagegen gestimmt haben? Wir sind gerade mal im dritten Monat dieser Gesetzgebungsperiode. Wir sind Politiker_innen, und relevant sollte sein, wo wir politisch stehen und wofür wir kämpfen. Der Standard tut ein solches Politikverständnis als angepasst ab (“wie ein Politprofi”) – klar. Meine rhetorische Frage, ob ich jetzt den Punk ins Parlament tragen soll, drückt aus, was mich nervt an dieser Debatte: was wollt ihr denn hören? Weil ich die – immer unterschiedliche! – Erwartungshaltung nicht erfülle, bin ich also angepasst (oder eben rebellisch). Der Anforderungskatalog für Jungpolitiker_innen ist sehr lang und sehr widersprüchlich. Ich werde gar nicht versuchen, ihn zu erfüllen. Denn ich will eigentlich nur eines, und das hat mit jung gar nix zu tun – gescheite Politik machen.

Heute ist Internationaler Frauentag, da passt es ganz gut mal zu sagen: Leute, ich muss gar nix. Ich bin nicht wie ihr mich haben wollt, und so gedenke ich auch zu bleiben.

Warum wir ein eigenständiges Wissenschaftsministerium brauchen

Die Nachricht, dass das Wissenschaftministerium abgeschafft wird, die zugehörigen Agenden ins Wirtschaftsministerium eingegliedert werden und Karlheinz Töchterle gehen muss, hat die Wissenschaftscommunity am vergangenen Freitag schwer getroffen. Fassungslosigkeit auch im Ministerium, im Kabinett und unter den Beamt_innen – mit dieser Entscheidung hatte niemand gerechnet. Sogar UHBP Fischer wurde offenbar bis zuletzt im Dunkeln gelassen, an eine ganz spontane Entscheidung von Spindelegger will niemand mehr so recht glauben.

Das Wissenschaftsministerium war in den letzten Jahren vor allem unerfolgreich. Keine_r der Minister_innen brachte maßgebliches voran, von lächerlichen Diskussionen über Studiengebühren und weiteren Restriktionen für Studierende mal abgesehen. Selbige wagten es, den intensiven #unibrennt-Protest zu starten, der Gio Hahn zur Flucht nach Brüssel veranlasste. Es folgte Karl, es folgte Töchterle. Seit knapp fünf Jahren bin ich in Wien und beschäftige mich mit Wissenschaftspolitik, Mitterlehner wird mein vierter Minister sein.

Die so häufig verspottete Bildungs- und Wissenschaftsministerin Elisabeth Gehrer war im Gegensatz dazu in ihrer Arbeit äußerst “erfolgreich”.  Mit dem Universitätsgesetz 2002 setzte sie (bzw. ihr mächtiger Sektionschef Höllinger) einen radikalen Paradigmenwechsel durch. Ausgerechnet an den Universitäten wurde ein neoliberales Exempel statuiert: Universität wurde an die Struktur einer GmbH angepasst, demokratische Strukturen wurden zerschlagen, die Rektor_innen erhielten die geforderte Autonomie und durften forthin als Manager_innen agieren. Die Einverleibung der Wissenschaft durch das Wirtschaftsministerium ist gewissermaßen nur ein konsequenter Schritt jener Wissenschaftspolitik, die in den 90er-Jahren begonnen hat.

Wissenschaft und Forschung, die universitäre Lehre (die an den Fachhochschulen sowieso schon immer) müssen seither zunehmend marktkonform agieren. Mit der Einführung des New Public Management wird wissenschaftliche Arbeit vermeintlich messbar. Als erfolgreich gilt, wer viele Publikationen und Zitationen vorweisen kann und viele Drittmittel einwirbt. Gute Studienrichtungen sind in dieser Logik jene, die eine gute, bolognakonforme “Employability” garantieren – deren Absolvent_innen also wertvoll für den österreichischen Arbeitsmarkt sind. Grundlagen- und angewandte Forschung ist in den “Zukunftsbereichen” Naturwissenschaft und Technik gern gesehen, schließlich geht es dabei ja um die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs.

Die Aufgabe der Hochschulen und der Wissenschaft liegt aber nicht in der Sicherstellung ökonomischen Wachstums. Der (eh schon anspruchslose) §1 des Universitätsgesetzes 2002 benennt als Ziel der Universitäten nichts weniger, als die Lösung der Probleme des Menschen – nein, hier gibt es dezidiert keine nationalistische Eingrenzung! Jetzt könnte fehlendes Wachstum zwar als Problem des Menschen interpretiert werden, das würde allerdings viel zu kurz greifen. Im Gegenteil:

Es ist Aufgabe der Wissenschaft, die bestehenden Verhältnisse zu erkennen, zu hinterfragen und zu ihrer Überwindung beizutragen. Diese Verhältnisse bedingen nach wie vor, dass viele Menschen in Armut und Angst leben, dass nach wie vor keine Gleichberechtigung der Geschlechter eingetreten ist, dass wir von einer Gesellschaft wirklich freier Menschen weit entfernt sind. Von diesen Verhältnissen profitieren nur sehr kleine Eliten – und haben logischerweise kein Interesse daran, an den Rahmenbedingungen zu rütteln. Aber auch die restliche Bevölkerung ist hierzulande im intellektualitätsfeindlichen Österreich, nicht erpicht auf Reflexion und Veränderung.

Nein, es ist nicht Aufgabe von Wissenschaft und Universität, das Öl im Getriebe zu sein – im Gegenteil. In einem Interview vor ein paar Wochen habe ich gesagt:

“Es ist illusorisch, zu erwarten, dass der Staat sich darum kümmert, dass es widerständige Unis gibt. Das ist Aufgabe der Studierenden und Lehrenden.”

Es ist aber sehr wohl Aufgabe eines dem Anspruch nach demokratischen Staates, die Rahmenbedingungen für kritische Wissenschaft zu gewährleisten. Mit der Abschaffung des Wissenschaftsministeriums wird diese notwendige Freiheit mit Füßen getreten und ernsthaft bedroht. Unabhängig von der Person Mitterlehner wird es ungleich schwieriger sein, die Interressen der Universitäten, der Studierenden, der Österreichischen Akademie der Wissenschaft oder des FWF in einem Ministerium durchzusetzen, das gewohnt ist, alles an ökonomischem Nutzen auszurichten. Auch die ersten Äußerungen des neuen, zuständigen Ministers bei #imzentrum lassen wenig Hoffnung: Er will zwar nicht an der Freiheit der Lehre oder der Grundlagenforschung rütteln, aber bei allem anderen “Synergien nutzen”. In der selben Sendung wurde auch klar, wie mit der Wissenschaft umgegangen wird: die sachliche Analyse des Soziologen Flecker konnten beide Regierungsmitglieder nicht nachvollziehen.

Wirtschaft und Wissenschaft passen nicht zusammen – sie müssen zwangsläufig unterschiedliche Interessen verfolgen. Die Abschaffung eines eigenständigen Ministeriums und die Verschmelzung mit dem Wirtschaftsressort muss daher als Kampfansage an die wissenschaftliche Community verstanden werden. Die kommenden fünf Jahre werden dementsprechend für mich im Zeichen des Widerstandes stehen gegen eine Entwicklung, der wir Bürger_innen zu lange zu ruhig zugesehen haben.

Zur Diskussion um das Wissenschaftsministerium

In den Kommentaren zur Abschaffung des Wissenschaftsministeriums und seiner Verschmelzung mit dem Wirtschaftsressort fallen drei Argumente, die mE zu kurz greifen:

Es geht nicht um Mitterlehner

Einige Kommentator_innen beschreiben ihre Hoffnung, dass Mitterlehner zuzutrauen wäre, die Wichtigkeit der Wissenschaft zu erkennen. Eric Frey und Thomas König wittern eine Chance darin, dass das Thema näher zum Machtzentrum rücken könnte. Es geht in dieser Diskussion aber nicht um die Person Mitterlehner. Sein Interesse für Wissenschaft, Forschung und Lehre wird er unter Beweis zu stellen haben, voreilige Schlüsse über (In)Kompetenzen halte ich zum jetzigen Zeitpunkt für wenig dienlich.

Die Frage ist viel grundsätzlicher: Wenn morgens die Wirtschaftskammer und die Industriellenvereinigung im BMW2 vorbeischauen, um wirtschaftspolitische Maßnahmen zu besprechen, mittags mal der FWF angehört wird, und danach wieder die Wirtschaftskammer auftaucht – diesmal für Wissenschaftsfragen – wem wird das Ministerium wohl geneigter sein, zuzuarbeiten? Ein Kabinett, das gewohnt ist, alles aus wirtschaftlicher Perspektive zu betrachten, die Akteur_innen in diesem Feld seit Jahren kennt, wird sich an eine wissenschaftsorientierte Perspektive schwer gewöhnen.

Auch das Regierungsprogramm selbst weist in diese Richtung: das ohnehin extrem dünne Papier betont die Wichtigkeit angewandter Forschung, Antworten auf die brennenden Fragen zur Grundlagenforschung, die zB Peter Illetschko hier aufwirft, bleiben aus.

Es geht nicht um die “Ressource” Wissen

Alexandra Föderl-Schmid bewertet die Abschaffung des Wissenschaftsministeriums als fatales Signal, weil Österreich keine Rohstoffe hat und deshalb auf das Know-how seiner Menschen setzen muss. Anstatt der Ökonomisierung entgegenzuwirken, unterstreicht sie damit die Nutzenorientierung von Wissenschaft und Forschung.

Wettbewerbsfähigkeit, Standortsicherung und Innovation sind die Schlagworte eines ökonomischen Nationalismus, der Forschung einen kleinen, definierten Raum zugesteht. Wovon ein erkennbarer, (meist wirtschaftlicher) Nutzen zu erwarten ist, hat Platz in den Finanzierungsplänen. Technische und naturwissenschaftliche Grundlagenforschung findet daher auch immer Zuspruch aus der entsprechenden Industrie. Deutlich weniger finanzielle und ideelle Unterstützung finden hingegen Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften. Auch, weil zumindest ein Teil dieser Forschung bestehende Verhältnisse kritisiert, und dem Slogan “Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s allen gut” vieles entgegenzusetzen hat.

Auf dieselbe Art werden Studienrichtungen diskutiert, die Universitäten sollen Ausbildungsstätten für zukunftsträchtige Wirtschaftsfelder sein. Zeit zur kritischen Reflexion oder zur Beschäftigung mit Themen, deren Verwertbarkeit nicht offensichtlich ist, wird nur sehr begrenzt zugestanden. Doch höhere Bildung und Wissenschaft haben einen emanzipatorischen Wert für die Gesellschaft. Wer mit dem Fokus auf Verwertbarkeit studiert, wird sich selten mit der Kritik an bestehenden Verhältnissen beschäftigen und auch wenig zu deren Überwindung beitragen.

Es geht nicht nur um die Grundlagenforschung

Ein drittes, beliebtes Argument in den aktuellen Kommentaren ist die Sorge um die Grundlagenforschung – wenn die nicht vergessen wird, wird alles gut. Doch die Unterdotierung der Grundlagenforschung ist nur eines von vielen Problemen. Auch in allen anderen Bereichen ist der Einfluss (wirtschaftlichen) Nutzendenkens brandgefährlich und zudem auch weit fortgeschritten.

Output-Orientierung hat an den Hochschulen schon lange Einzug gehalten. In Berufungskommissionen, bei der Bewertung von Forschungsprojekten und den Verhandlungen um Budgets (sowohl zwischen Uni und Bund, als auch innerhalb der Unis) werden hauptsächlich quantitative Kennzahlen herangezogen. Zahl der Publikationen, Einwerbung von Drittmitteln, Zahl der Absolvent_innen und viele Indikatoren mehr erwecken den Eindruck von “Objektivität” und Messbarkeit universitärer “Leistung”. Anstatt eine inhaltlich-qualitative Bewertung vorzunehmen, orientiert sich der wissenschaftliche Betrieb zunehmend an quantitativ definiertem Erfolg. Eine Auswirkung davon ist die “Salamitaktik” bei Publikationen, eine andere die Wahl von “vorsichtigen” Forschungsfragen – damit auch sichergestellt wird, dass etwas verwertbares dabei herauskommt.

Diese Ökonomisierung der Wissenschaft erfolgt schleichend seit vielen Jahren. Der Grundlagenforschung wird zugestanden, sich der Ergebnisorientierung zu entziehen. Doch auch angewandte Forschung muss frei und unabhängig erfolgen, ebenso die wissenschaftliche Lehre. Die Betonung der Wichtigkeit der Grundlagenforschung ist richtig, allzu leicht wird dabei aber auf die vielen anderen Bereiche vergessen, die einer neoliberalen Wissenschaftspolitik viel leichter zum Opfer fallen.

Zynische Menschen wie Christoph Schwarz finden die Abschaffung des Ministeriums passend, weil damit der Wissenschaft jener Platz zugewiesen wird, den sie in den Köpfen von SPÖ- und ÖVP-Spitzen tatsächlich hat: keinen wichtigen. Das ist zwar eine durchaus richtige Analyse, zufriedengeben werden wir uns damit allerdings nicht. Die Regierung könnte sich noch wünschen, diese fatale Entscheidung nicht getroffen zu haben – hoffentlich.