Zur Diskussion um das Wissenschaftsministerium

In den Kommentaren zur Abschaffung des Wissenschaftsministeriums und seiner Verschmelzung mit dem Wirtschaftsressort fallen drei Argumente, die mE zu kurz greifen:

Es geht nicht um Mitterlehner

Einige Kommentator_innen beschreiben ihre Hoffnung, dass Mitterlehner zuzutrauen wäre, die Wichtigkeit der Wissenschaft zu erkennen. Eric Frey und Thomas König wittern eine Chance darin, dass das Thema näher zum Machtzentrum rücken könnte. Es geht in dieser Diskussion aber nicht um die Person Mitterlehner. Sein Interesse für Wissenschaft, Forschung und Lehre wird er unter Beweis zu stellen haben, voreilige Schlüsse über (In)Kompetenzen halte ich zum jetzigen Zeitpunkt für wenig dienlich.

Die Frage ist viel grundsätzlicher: Wenn morgens die Wirtschaftskammer und die Industriellenvereinigung im BMW2 vorbeischauen, um wirtschaftspolitische Maßnahmen zu besprechen, mittags mal der FWF angehört wird, und danach wieder die Wirtschaftskammer auftaucht – diesmal für Wissenschaftsfragen – wem wird das Ministerium wohl geneigter sein, zuzuarbeiten? Ein Kabinett, das gewohnt ist, alles aus wirtschaftlicher Perspektive zu betrachten, die Akteur_innen in diesem Feld seit Jahren kennt, wird sich an eine wissenschaftsorientierte Perspektive schwer gewöhnen.

Auch das Regierungsprogramm selbst weist in diese Richtung: das ohnehin extrem dünne Papier betont die Wichtigkeit angewandter Forschung, Antworten auf die brennenden Fragen zur Grundlagenforschung, die zB Peter Illetschko hier aufwirft, bleiben aus.

Es geht nicht um die “Ressource” Wissen

Alexandra Föderl-Schmid bewertet die Abschaffung des Wissenschaftsministeriums als fatales Signal, weil Österreich keine Rohstoffe hat und deshalb auf das Know-how seiner Menschen setzen muss. Anstatt der Ökonomisierung entgegenzuwirken, unterstreicht sie damit die Nutzenorientierung von Wissenschaft und Forschung.

Wettbewerbsfähigkeit, Standortsicherung und Innovation sind die Schlagworte eines ökonomischen Nationalismus, der Forschung einen kleinen, definierten Raum zugesteht. Wovon ein erkennbarer, (meist wirtschaftlicher) Nutzen zu erwarten ist, hat Platz in den Finanzierungsplänen. Technische und naturwissenschaftliche Grundlagenforschung findet daher auch immer Zuspruch aus der entsprechenden Industrie. Deutlich weniger finanzielle und ideelle Unterstützung finden hingegen Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften. Auch, weil zumindest ein Teil dieser Forschung bestehende Verhältnisse kritisiert, und dem Slogan “Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s allen gut” vieles entgegenzusetzen hat.

Auf dieselbe Art werden Studienrichtungen diskutiert, die Universitäten sollen Ausbildungsstätten für zukunftsträchtige Wirtschaftsfelder sein. Zeit zur kritischen Reflexion oder zur Beschäftigung mit Themen, deren Verwertbarkeit nicht offensichtlich ist, wird nur sehr begrenzt zugestanden. Doch höhere Bildung und Wissenschaft haben einen emanzipatorischen Wert für die Gesellschaft. Wer mit dem Fokus auf Verwertbarkeit studiert, wird sich selten mit der Kritik an bestehenden Verhältnissen beschäftigen und auch wenig zu deren Überwindung beitragen.

Es geht nicht nur um die Grundlagenforschung

Ein drittes, beliebtes Argument in den aktuellen Kommentaren ist die Sorge um die Grundlagenforschung – wenn die nicht vergessen wird, wird alles gut. Doch die Unterdotierung der Grundlagenforschung ist nur eines von vielen Problemen. Auch in allen anderen Bereichen ist der Einfluss (wirtschaftlichen) Nutzendenkens brandgefährlich und zudem auch weit fortgeschritten.

Output-Orientierung hat an den Hochschulen schon lange Einzug gehalten. In Berufungskommissionen, bei der Bewertung von Forschungsprojekten und den Verhandlungen um Budgets (sowohl zwischen Uni und Bund, als auch innerhalb der Unis) werden hauptsächlich quantitative Kennzahlen herangezogen. Zahl der Publikationen, Einwerbung von Drittmitteln, Zahl der Absolvent_innen und viele Indikatoren mehr erwecken den Eindruck von “Objektivität” und Messbarkeit universitärer “Leistung”. Anstatt eine inhaltlich-qualitative Bewertung vorzunehmen, orientiert sich der wissenschaftliche Betrieb zunehmend an quantitativ definiertem Erfolg. Eine Auswirkung davon ist die “Salamitaktik” bei Publikationen, eine andere die Wahl von “vorsichtigen” Forschungsfragen – damit auch sichergestellt wird, dass etwas verwertbares dabei herauskommt.

Diese Ökonomisierung der Wissenschaft erfolgt schleichend seit vielen Jahren. Der Grundlagenforschung wird zugestanden, sich der Ergebnisorientierung zu entziehen. Doch auch angewandte Forschung muss frei und unabhängig erfolgen, ebenso die wissenschaftliche Lehre. Die Betonung der Wichtigkeit der Grundlagenforschung ist richtig, allzu leicht wird dabei aber auf die vielen anderen Bereiche vergessen, die einer neoliberalen Wissenschaftspolitik viel leichter zum Opfer fallen.

Zynische Menschen wie Christoph Schwarz finden die Abschaffung des Ministeriums passend, weil damit der Wissenschaft jener Platz zugewiesen wird, den sie in den Köpfen von SPÖ- und ÖVP-Spitzen tatsächlich hat: keinen wichtigen. Das ist zwar eine durchaus richtige Analyse, zufriedengeben werden wir uns damit allerdings nicht. Die Regierung könnte sich noch wünschen, diese fatale Entscheidung nicht getroffen zu haben – hoffentlich.