Warum wir ein eigenständiges Wissenschaftsministerium brauchen

Die Nachricht, dass das Wissenschaftministerium abgeschafft wird, die zugehörigen Agenden ins Wirtschaftsministerium eingegliedert werden und Karlheinz Töchterle gehen muss, hat die Wissenschaftscommunity am vergangenen Freitag schwer getroffen. Fassungslosigkeit auch im Ministerium, im Kabinett und unter den Beamt_innen – mit dieser Entscheidung hatte niemand gerechnet. Sogar UHBP Fischer wurde offenbar bis zuletzt im Dunkeln gelassen, an eine ganz spontane Entscheidung von Spindelegger will niemand mehr so recht glauben.

Das Wissenschaftsministerium war in den letzten Jahren vor allem unerfolgreich. Keine_r der Minister_innen brachte maßgebliches voran, von lächerlichen Diskussionen über Studiengebühren und weiteren Restriktionen für Studierende mal abgesehen. Selbige wagten es, den intensiven #unibrennt-Protest zu starten, der Gio Hahn zur Flucht nach Brüssel veranlasste. Es folgte Karl, es folgte Töchterle. Seit knapp fünf Jahren bin ich in Wien und beschäftige mich mit Wissenschaftspolitik, Mitterlehner wird mein vierter Minister sein.

Die so häufig verspottete Bildungs- und Wissenschaftsministerin Elisabeth Gehrer war im Gegensatz dazu in ihrer Arbeit äußerst “erfolgreich”.  Mit dem Universitätsgesetz 2002 setzte sie (bzw. ihr mächtiger Sektionschef Höllinger) einen radikalen Paradigmenwechsel durch. Ausgerechnet an den Universitäten wurde ein neoliberales Exempel statuiert: Universität wurde an die Struktur einer GmbH angepasst, demokratische Strukturen wurden zerschlagen, die Rektor_innen erhielten die geforderte Autonomie und durften forthin als Manager_innen agieren. Die Einverleibung der Wissenschaft durch das Wirtschaftsministerium ist gewissermaßen nur ein konsequenter Schritt jener Wissenschaftspolitik, die in den 90er-Jahren begonnen hat.

Wissenschaft und Forschung, die universitäre Lehre (die an den Fachhochschulen sowieso schon immer) müssen seither zunehmend marktkonform agieren. Mit der Einführung des New Public Management wird wissenschaftliche Arbeit vermeintlich messbar. Als erfolgreich gilt, wer viele Publikationen und Zitationen vorweisen kann und viele Drittmittel einwirbt. Gute Studienrichtungen sind in dieser Logik jene, die eine gute, bolognakonforme “Employability” garantieren – deren Absolvent_innen also wertvoll für den österreichischen Arbeitsmarkt sind. Grundlagen- und angewandte Forschung ist in den “Zukunftsbereichen” Naturwissenschaft und Technik gern gesehen, schließlich geht es dabei ja um die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs.

Die Aufgabe der Hochschulen und der Wissenschaft liegt aber nicht in der Sicherstellung ökonomischen Wachstums. Der (eh schon anspruchslose) §1 des Universitätsgesetzes 2002 benennt als Ziel der Universitäten nichts weniger, als die Lösung der Probleme des Menschen – nein, hier gibt es dezidiert keine nationalistische Eingrenzung! Jetzt könnte fehlendes Wachstum zwar als Problem des Menschen interpretiert werden, das würde allerdings viel zu kurz greifen. Im Gegenteil:

Es ist Aufgabe der Wissenschaft, die bestehenden Verhältnisse zu erkennen, zu hinterfragen und zu ihrer Überwindung beizutragen. Diese Verhältnisse bedingen nach wie vor, dass viele Menschen in Armut und Angst leben, dass nach wie vor keine Gleichberechtigung der Geschlechter eingetreten ist, dass wir von einer Gesellschaft wirklich freier Menschen weit entfernt sind. Von diesen Verhältnissen profitieren nur sehr kleine Eliten – und haben logischerweise kein Interesse daran, an den Rahmenbedingungen zu rütteln. Aber auch die restliche Bevölkerung ist hierzulande im intellektualitätsfeindlichen Österreich, nicht erpicht auf Reflexion und Veränderung.

Nein, es ist nicht Aufgabe von Wissenschaft und Universität, das Öl im Getriebe zu sein – im Gegenteil. In einem Interview vor ein paar Wochen habe ich gesagt:

“Es ist illusorisch, zu erwarten, dass der Staat sich darum kümmert, dass es widerständige Unis gibt. Das ist Aufgabe der Studierenden und Lehrenden.”

Es ist aber sehr wohl Aufgabe eines dem Anspruch nach demokratischen Staates, die Rahmenbedingungen für kritische Wissenschaft zu gewährleisten. Mit der Abschaffung des Wissenschaftsministeriums wird diese notwendige Freiheit mit Füßen getreten und ernsthaft bedroht. Unabhängig von der Person Mitterlehner wird es ungleich schwieriger sein, die Interressen der Universitäten, der Studierenden, der Österreichischen Akademie der Wissenschaft oder des FWF in einem Ministerium durchzusetzen, das gewohnt ist, alles an ökonomischem Nutzen auszurichten. Auch die ersten Äußerungen des neuen, zuständigen Ministers bei #imzentrum lassen wenig Hoffnung: Er will zwar nicht an der Freiheit der Lehre oder der Grundlagenforschung rütteln, aber bei allem anderen “Synergien nutzen”. In der selben Sendung wurde auch klar, wie mit der Wissenschaft umgegangen wird: die sachliche Analyse des Soziologen Flecker konnten beide Regierungsmitglieder nicht nachvollziehen.

Wirtschaft und Wissenschaft passen nicht zusammen – sie müssen zwangsläufig unterschiedliche Interessen verfolgen. Die Abschaffung eines eigenständigen Ministeriums und die Verschmelzung mit dem Wirtschaftsressort muss daher als Kampfansage an die wissenschaftliche Community verstanden werden. Die kommenden fünf Jahre werden dementsprechend für mich im Zeichen des Widerstandes stehen gegen eine Entwicklung, der wir Bürger_innen zu lange zu ruhig zugesehen haben.