Wie die Polizei mit Demonstrant_innen und Nationalratsabgeordneten umgeht

Ich war am Samstag mit Freund_innen auf der Regenbogenparade. Die Stimmung war super, das Wetter ok, und der Gestank vom Buttersäureangriff auf den Grünen Truck zumindest dort, wo ich mitgegangen bin, nicht so schlimm. Als wir auf Höhe Karlsplatz waren, beschlossen wir, noch bei der Demo der christlichen Fundamentalist_innen bzw. der entsprechenden Gegendemo am Stephansplatz vorbeizuschauen. Wie auch die letzten Jahre wurde dort mit blutendem Jesus auf dem Kreuz und Demosprüchen á la “Erziehung ist der Eltern Pflicht, verführt uns unsere Kinder nicht” gegen Homosexualität, Abtreibung und “Genderideologie” demonstriert. Die Forderungen der Truppe umfassten zB auch die Abschaffung des Sexualkundeunterrichts.

Die Gegendemo war bunt und witzig, mit bewährter pinker Sambatruppe die auch von den Tourist_innen sehr geschätzt wurde. Es wurde getanzt und gesungen.

gegendemo

 

Die Gegendemo war wesentlich größer als die der christlichen Fundamentalist_innen, am Stephansplatz hielten sich (wie jeden Samstag nachmittag) sehr viele Tourist_innen auf. Die Polizei begann mit Schildern die Gegendemonstrant_innen (und Tourist_innen) abzudrängen, um den Weg für den “Marsch für die Familie” frei zu machen. Wir gingen am Rand mit und beobachteten das Geschehen. Es gab auch kurz eine Sitzblockade, die aber sehr schnell wieder aufgelöst war. Als einer der Demonstrant_innen von der Polizei in die Dorotheergasse gebracht wurde, blieben wir dort, um herauszufinden was ihm vorgeworfen wird: Störung einer Versammlung – Strafgesetzbuch § 285. Der Demonstrant durfte nach der Identitätsfeststellung wieder gehen, die Demo war inzwischen schon weg, und wir blieben noch ein paar Minuten in der Sonne sitzen.

Kurz vor 17.00 Uhr brachen wir auf, um noch die Schlusskundgebung der Christen_innen am Minoritenplatz mitzuverfolgen. Als wir dort ankamen waren aber alle Transparente bereits zusammengepackt, die Demo offenkundig beendet. Die Fundamentalist_innen waren gerade damit beschäftigt, ihre Leute für den Abtransport oder das Weiterziehen in ein Lokal abzuzählen. Von der Gegendemo war nichts mehr zu sehen.

Zu dem Zeitpunkt waren wir nur mehr zu zweit und gingen in Richtung Herrengasse, um einen Kaffee trinken zu gehen. Vor dem Bundesministerium für Inneres standen mehrere Polizei-Autos, offenbar wurde das Ende des Einsatzes abgewartet. Außer mir und meiner Freundin waren keine Zivilist_innen auf dem Platz. Bei der Landhausgasse sperrten etwa 10 Polizist_innen den Weg ab, in der Mitte der Straße gab gerade eine Person mit pinker Perücke ein Interview. Auf der anderen Seite der Gasse standen ebenfalls Polizist_innen. Ich fragte nach, warum hier abgesperrt sei, die Antwort war “Das ist halt jetzt so”. Dann wurde die Polizeiabsperrung auf Seite der Herrengasse beendet, Passant_innen wurden von dieser Seite wieder durchgelassen, wir nicht. Eine Polizistin forderte uns auf, weiter zurück zu gehen auf den Minoritenplatz, was wir auch taten. Als das Interview beendet war, wurde die Person mit der pinken Perücke (offenbar Teil der Samba-Gruppe) von mehreren Polizist_innen recht ruppig abgeführt – ohne ersichtlichen Grund.

Ich ging der Polizeigruppe nach und sagte: “Mein Name ist Sigrid Maurer, ich bin Abgeordnete zum Nationalrat und möchte gerne wissen, was der Person vorgeworfen wird”. Die Antwort der Polizist_innen war, dass die Identität festgestellt werden soll. Ich fragte daraufhin, ob es dafür denn notwendig sei, der Person das Handgelenk zu verdrehen. Plötzlich blieb der Polizist vor mir stehen, drehte sich um und sagte “Bis hierher und nicht weiter”. Ich blieb stehen und fragte “Warum, hier ist ja nicht abgesperrt oder sonst irgendwas”. Der Beamte sagte “Gut, dann nehmen wir Sie auch mit”, drehte mir gleichzeitig den rechten Arm auf den Rücken und bugsierte mich in Richtung der Polizeiwägen. Ich stolperte überrascht mit und sagte: “Hey, was soll das jetzt, was passiert jetzt, was wird mir vorgeworfen”. Nach mehreren Nachfragen sagte der Beamte: “Störung einer Versammlung”.

Bei dem Polizeiwagen angekommen musste ich warten bis ich mit der Identitätsfeststellung drankomme, vor mir wurde noch eine andere Person überprüft. Zu diesem Zeitpunkt war es 17.18. Ich zeigte meinen Ausweis her, meine Identität wurde festgestellt, ich fragte nochmals nach, was mir vorgeworfen wird. Der Beamte der die Identitäts-Feststellung durchführte, wiederholte: Störung einer Versammlung, ich würde die Anzeige per Post zugestellt bekommen. Ich antwortete darauf “Das ist jetzt ein Scherz”. Der Beamte: “Sehe ich so aus als würde ich scherzen?”. Auf mein Fragen nach der Dienstnummer des Beamten, der mich mitgenommen hatte erhielt ich nur die Auskunft, ich solle bei 133 anrufen und mit Zeit- und Ortsangabe würde ich die Dienstnummer des Einsatzkommandanten erhalten.

Inzwischen hatten die Beamten herausgefunden, dass ich Nationalratsabgeordnete bin (etwas, das ich ja bereits zuvor mitgeteilt hatte). Da ich als Abgeordnete immun bin, wurde ein Beamter des Verfassungsschutzes hinzugeholt, offenbar um zu bestätigen dass ich wirklich ich bin. Als er kam und mich sah, sagte er sinngemäß: “Passt, ist bekannt. Sie können gehen, die Anzeige erhalten Sie dann per Post”. Ich versuchte nun den Einsatzkommandanten ausfindig zu machen, um noch einmal einen Anlauf in Sachen Dienstnummer zu starten. Der Einsatzkommandant teilte mir daraufhin seine Dienstnummer mit, unter der ich eine schriftliche Anfrage an die Landespolizeidirektion Wien stellen könne. Der betreffende Beamte stand die ganze Zeit über direkt neben mir. Ich gehe davon aus dass er seine Dienstnummer kennt, ich habe sie jedoch nicht erhalten.

Ich ging dann zurück zu meiner Freundin, etwas später konnten wir noch beobachten wie fünf der Samba-Trommler_innen in einen Gefangenentransporter geladen wurden.

Ich fasse also zusammen: mir wird vorgeworfen, an einem Ort, an dem keine Versammlung stattgefunden hat, eine Versammlung gestört zu haben. Weil ich nachgefragt habe – nach vorheriger Offenlegung meiner Identität und Funktion – was einer abgeführten Person vorgeworfen wird.  Auf die Frage, warum ich nicht weitergehen dürfe, wurde ich beamtshandelt. Ich wurde weder aufgefordert mich auszuweisen, noch wurde ich aufgefordert mitzukommen – der Beamte drehte mir ohne Vorwarnung meinen Arm auf den Rücken und brachte mich stolpernd zu den Polizeiwägen.

Dass die Polizei völlig willkürlich Demonstrant_innen herausgreift und nach dem Strafgesetzbuch anzeigt, ist ein Skandal, der leider Schule zu machen scheint. Nach den Anzeigen nach dem Landfriedensbruch-Paragraphen gegen Fußballfans und antifaschistische Demonstrant_innen, versucht die Polizei offenbar nun den nächsten Paragraphen wiederzubeleben, um Demonstrant_innen einzuschüchtern. Ich kann mich als Nationalratsabgeordnete ganz gut gegen die Vorgangsweise der Polizei wehren. Wie geht es aber alle jenen Demonstrant_innen, die nicht dieselben Möglichkeiten haben?

Ich schreibe diesen Blogeintrag um die Geschehnisse vom Samstag möglichst genau und nachvollziehbar zu dokumentieren. Mein Kollege Albert Steinhauser, Justizssprecher der Grünen, wird die Vorfälle auch parlamentarisch bearbeiten. Soviel mal fürs erste, stay tuned.